Read Sebastian Online

Authors: Anne Bishop

Tags: #Fiction, #Fantasy, #General

Sebastian (13 page)

BOOK: Sebastian
10.3Mb size Format: txt, pdf, ePub
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Teaser zuckte zusammen. »Nein, meine ich nicht. Es ist nur, … na ja …
ausgerechnet sie.
Du weißt, dass die Schlampe gleich hier herüberkommen und abfällige Kommentare über Inkuben, die Schwänze essen, von sich geben wird.«
Sebastian war verärgert. »Es ist Brot und Käse. Wir haben kein Mitspracherecht, wenn es darum geht, wie Philo seine Brötchen formt.«
»Sag das
ihr

Ich würde ihr nur ungern so nahe kommen.
Da sie sich normalerweise nicht um dieselbe Beute stritten, kamen die Inkuben und Sukkuben, die im Pfuhl lebten, recht gut miteinander aus. Manchmal teilten sie sogar, in einem Akt überwältigender Erotik, ihr Spiel miteinander. Aber diese Dämonin... Sie lebte nicht im Pfuhl, war aber oft genug hier, und jedes Mal, wenn er sie sah, fühlte er sich irgendwie … unwohl. Sie war schärfer, dunkler und hatte mehr von einem Raubtier, als die Bewohner des Pfuhls, und es lag etwas Bösartiges in der Art, wie sie mit ihrer Beute spielte, das deutlich werden ließ, dass sie dem Sex absichtlich den Spaß nahm und das Verlangen ihrer Beute in Verzweiflung und Sucht verwandelte. Und sie war genauso bösartig, wenn sie versuchte, einen Inkubus dazu zu bringen, ihr Spiel mitzuspielen.
Beide Inkuben seufzten vor Erleichterung, als dieser spezielle Sukkubus sich vom Innenhof abwandte.
Sebastian nahm das letzte Brötchen, brach es in zwei Hälften und wischte den Rest Käse aus der Schüssel. Er reichte ein Stück an Teaser weiter und aß die andere Hälfte selbst. Satt, aber erfüllt von einem Hunger, den keine Nahrung stillen konnte, lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. »Erzählst du mir jetzt, was passiert ist?«
Teaser hob seinen Krug an und stellte ihn wieder ab, ohne zu trinken. »Die Gasse hat sich verändert.«
»Was soll das heißen?«
»Jemand hat sie verändert«, sagte Teaser. Unbehagen ließ seine Stimme schärfer klingen, als er es vielleicht beabsichtigte.
Er hielt inne, kämpfte offensichtlich damit, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. »Wir haben uns gedacht, dass wir die … sterblichen Überreste wegräumen sollten. Wir konnten sie ja nicht einfach so liegen lassen, das zieht ja die Raubtiere an, oder? Aber die Leiche war weg. Stattdessen fanden wir grüne Pflanzen, die in der Mitte der Gasse wuchsen, genau da, wo die Leiche gelegen hatte.«
Teaser starrte ihn an. Sebastian wandte sich ab.
»Belladonna war hier«, sagte er schließlich zögernd.
»Also hat sie -«
»
Nein
. Sie würde keinen Mörder in den Pfuhl bringen. Sie muss diejenige sein, die die Gasse verändert hat, nachdem wir dort waren, aber das ist auch schon
alles
, was sie getan hat. Obwohl ich absolut nicht weiß, warum sie in einer dunklen Gasse Pflanzen wachsen lässt.«
»Um ihre Spuren zu verdecken?«
Sebastian fluchte. »Wie oft muss ich es noch sagen Teaser? Ich
kenne
sie.«
»Du kennst das Mädchen, das sie einmal war«, antwortete Teaser. »Aber kennst du wirklich die Landschafferin, zu der sie geworden ist?«
Nein.
Aber das würde er nicht zugeben. Vor niemandem.
Weil er daran glauben musste, dass Glorianna sich nicht weit von dem Mädchen entfernt hatte, das er kannte.
Teaser zögerte. »Vielleicht solltest du heute Nacht im Bordell schlafen, anstatt zum Cottage zurückzukehren.«
Beinahe hätte er erwidert, dass ein Inkubus es sich nicht leisten könne, Angst vor der Dunkelheit zu haben. Dann wurde ihm klar, dass Teaser
wirklich
Angst hatte - Angst davor, jetzt alleine zu sein, und Angst davor, dass jeder, den er mit auf sein Zimmer nahm, ihm mehr geben würde, als vereinbart worden war.
»Ich gehe zurück zum Cottage«, sagte Sebastian. »Ich habe nur ein Bett, aber die Couch ist ziemlich bequem.«
»Du lädst mich zu dir ein?«
Sebastian zuckte mit den Schultern. Er war nicht bereit, hier den Hasenfuß zu spielen, aber er wollte auch seinen Freund nicht bloßstellen, indem er ihn wissen ließ, wer von den beiden wirklich Gesellschaft brauchte. Außerdem hatte Glorianna gesagt, sie käme zurück, und wenn sie eintraf, wollte er sich an einem Ort aufhalten, an dem sie ihn ohne Probleme finden konnte.
»Eine Couch«, murrte Teaser. »Aber du hast auch Kaffee, was die Couch wieder wettmacht. In Ordnung, ich leiste dir Gesellschaft. Du bezahlst die Rechnung, und ich sehe mal nach, ob ich noch eine Fahrt auf dem Dämonenrad organisieren kann.«
Sebastian blieb am Tisch sitzen, weil er wusste, dass Philo kommen würde, um das Geschirr abzuräumen.
»Und?«, fragte Philo mit leiser Stimme, obwohl die benachbarten Tische nicht besetzt waren. »Was ist in der Stadt der Zauberer passiert? Hat man dich angehört?«
»Die Rechtsbringer werden uns nicht helfen. Sie scheren sich einen Dreck darum, was im Pfuhl geschieht.«
Philo seufzte. »Dann sind wir also auf uns allein gestellt.«
Belladonna wird uns helfen.
Er wusste, dass keiner der
Bewohner des Pfuhls in diesem Gedanken Trost finden würde, also sagte er: »Ja, wir sind auf uns allein gestellt.«
 
Unter der Stätte, in der die Dunklen wohnten, streckte Er sich aus. Auf dem Land über Ihm heulten warnend die Hunde, nur um zum Schweigen gebracht oder ignoriert zu werden; die Herden wurden unruhig, wachsam, weil sie mit ihrem einfachen Verstand gespürt hatten, dass sich ein Jäger unter sie gemischt hatte. Aber die eigentliche Beute achtete nicht auf ihren Instinkt, sondern hielt sich selbst für mächtig und überlegen.
Er entfaltete tausend geistige Tentakel, um sie in den Ort des Zwielichts zwischen Traum und Erwachen zu schicken - der Ort, der die Hoffnungen und Ängste des Herzens offenbarte. Der wache Geist verleugnete und unterdrückte so viele Wünsche. Der träumende Geist hüllte die Angst in Sinnbilder. Aber hier, im Zwielicht, konnte das Herz nicht verleugnet oder versteckt werden. Hier im Zwielicht fand Er das wahre Festmahl, an dem Er sich labte.
Sie verhält sich seltsam. Mein Geschäft hängt vom Wohlstand ihrer Familie ab. Hat sie etwa herausgefunden, dass ich eine Geliebte habe?
Ich habe die Münzen in die Kasse gelegt. Wirklich! Aber sie werden mich für einen Dieb halten und mich in eine andere Landschaft schicken. Vielleicht sogar in eine dunkle Landschaft.
Von diesen Ängsten nährte Er sich, labte sich an ihnen, wie Er es schon seit der Zeit, als Er den Kampf um die Herrschaft der Welt verloren hatte, nicht mehr hatte tun können.
Er sandte ein Flüstern durch die Tentakel.
Ja. Eure Ängste sind berechtigt. So wird es geschehen. So ist es bereits geschehen.
Gesättigt zog Er seine Tentakel ein. Er hatte die Dunklen gefunden. Aber etwas weckte alte Erinnerungen, fügte
sie in ein neues Muster. Und Er wandte sich ab. Er war damit zufrieden zu wissen, wo die Dunklen zu finden waren, ohne dass sie auch nur ahnten, wie sie Ihn finden könnten.
Dann erregte ein Geist, der aus unruhigem Schlaf ins Zwielicht überging, Seine Aufmerksamkeit. Angelockt von den starken Gefühlen, streckte Er einen Tentakel nach diesem Geist aus und schlüpfte in ihn hinein.
Ja,
flüsterte Er begierig.
Ja, du hast recht, ängstlich zu sein, recht zu hassen. Ja.
Aber der Geist erwachte zu schnell. Er war stark … und erfüllt von einer Macht, die Sein Eindringen bemerken würde.
Er verließ die Stadt, sah aus, wie ein Schatten, der sich, leichte Wellen schlagend, unter der Erdoberfläche fortbewegte. Der letzte Geist, den Er berührt hatte, verwirrte ihn. So viel Angst, so viel Wut, so viel Hass. Aber Er konnte das Wort nicht verstehen, das die Quelle all dieser köstlichen Gefühle darstellte.
Sebastian.
 
Mit einem unguten Gefühl ließ Sebastian eine Decke und ein Kissen auf das Ende der Couch fallen.
Es war albern, sich so zu fühlen. Lee hatte zahllose Male auf der Couch geschlafen, wenn er zu Besuch war.
Aber Lee war ein Mensch. Teaser nicht.
»Brauchst du sonst noch was?«, fragte er.
»Nein«, antwortete Teaser, der sich gerade die Stiefel auszog.
»Gute Nacht.« Sebastian ging zu seiner Schlafzimmertür. Bevor er den Raum verließ, sagte Teaser leise: »Angenehme Träume.«
Er drehte sich um, um dem anderen Inkubus ins Gesicht zu sehen, in dessen Blick zu viel Verständnis lag.
»Du bist … anders …, wenn du zu lange nicht gejagt hast«, sagte Teaser. »Ich weiß, dass du deinen Hunger
stillen musst, aber … Sei einfach vorsichtig, in Ordnung?«
Weil er nicht wusste, was er sagen sollte, nickte Sebastian nur, ging ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.
War es für jeden so offensichtlich? Oder war es nur Teaser, der als Inkubus die Zeichen der Begierde erkennen konnte, die sich mittlerweile zu rasendem Verlangen gesteigert hatte?
Er zog sich aus und warf seine Kleider über einen Stuhl. Darum würde er sich später kümmern. Dann schlüpfte er ins Bett, löschte die Öllampe auf dem Nachttisch und zog sich die Decke bis zum Bauch.
Im Dunkeln fühlte er das stetige Schlagen seines Herzens, als er die Macht rief, welche die Inkuben zu dem machte, was sie waren. Auf der Suche nach einer Frau, die sich nach einem Liebhaber sehnte, ließ er seinen Geist treiben. Dieses Mal würde er nicht versuchen, die Szenerie zu gestalten. Für dieses Intermezzo würde er
sie
die Voraussetzungen schaffen lassen. Und im Zwielicht des Halbschlafs würde er ihrem Traumliebhaber Gesicht und Stimme verleihen, würde ihr das Gefühl schenken, berührt zu werden, und die Stimulation heraufbeschwören, die sie erregen würde, bis sie kam.
Und an ihrer Erregung, an ihrem Höhepunkt würde er sich laben, bis sein Hunger gestillt war. Er würde ihr nicht wehtun. Er jagte nie, um Schaden zuzufügen. Aber die Gefühle, die er in den Frauen erweckte, brauchte er ebenso zum Überleben wie Nahrung, Wasser und Luft.
Bitte.
Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Frau, die mit der Resonanz ihres Gedankens etwas in seinem Innersten ansprach, und versuchte, die Verbindung zu ihrem Geist zu stärken.
Ich wollte nicht, dass er so etwas fühlt. Ich habe ihn
nicht ermutigt … lüsterne Dinge … von mir zu wollen. Habe ich nicht!
Schhh,
flüsterte Sebastian beruhigend.
Alles ist gut.
Warum kann mich niemand lieben?
Ich kann. Ich werde.
Die Landschafferinnen werden mich an einen schlimmen Ort schicken. Ich will doch nur -
Was? Was willst du?
Ich will mich sicher fühlen. Ich will geliebt werden. Ich will an einem Ort sein, an dem ich nicht die ganze Zeit Angst haben muss.
Er zögerte. Das war keine Frau, die sich nach Befriedigung sehnte. Tageslicht! Warum hatte seine Macht ihn zu ihr geführt, wenn sie nichts tun konnte, um seinen Hunger zu stillen?
Bitte.
Etwas Warmes, Süßes strömte durch die Verbindung zwischen ihnen. Etwas, das sich in ihr versteckt hielt und darauf wartete, entdeckt zu werden. Etwas so Flüchtiges und so Verführerisches, dass es ihm den Atem raubte.
Komm zu mir,
forderte er sie auf.
Komm zu mir.
Ich -
Die Verbindung zwischen ihnen brach ab.
Schweißnass und frustriert zog Sebastian seine Macht zurück.
Was war gerade geschehen? Und warum? Er hatte keine Ahnung, wer sie war oder wo sie war. Es gab nichts, was ihm dabei helfen würde, seinen Weg zurückzuverfolgen und sie wiederzufinden.
Und aus welchem Grund sollte er überhaupt eine offensichtlich so mit Problemen belastete Frau wiederfinden wollen?
Sie hatte etwas Warmes, Süßes und so Verführerisches in sich getragen. Etwas, das ihm das Gefühl gab, er hätte gerade den schwächsten Hauch von etwas gespürt,
nach dem er schon sein ganzes Leben gesucht - und sich gesehnt - hatte.
Er setzte sich auf und rieb mit den Händen über sein Gesicht. Er war mehr als müde, aber es würde noch lange dauern, bis er Schlaf finden könnte.
Komm zu mir,
dachte er, sein Herz erfüllt von schmerzhaftem Verlangen.
Komm zu mir. Denn ich weiß nicht, wie ich dich finden soll.
 
Wir haben die Welt aus Steinen und Mörtel erbaut.
Und wir haben unser eigenes Gefängnis geschaffen.
Wir können diesen Ort nicht unverteidigt lassen. Die Dunklen Wächter, die sich die bösartige Seite des menschlichen Herzens zu Nutzen gemacht haben, um den Weltenfresser zu erwecken, sind in die zerschlagenen Landschaften Ephemeras gezogen. Wir können nicht riskieren, dass sie diesen Ort ausfindig machen und das Böse befreien. Wir können nicht riskieren, dass jemand diese Mauer durchbricht.
Zu wenige von uns sind noch übrig. Aus allen Ländern Ephemeras sind wir gekommen, um gegen den Weltenfresser zu kämpfen, aber nun, da die Welt in ein wirres Durcheinander aus Bruchstücken zerfallen ist, können wir die Orte, die uns ein Zuhause waren, nicht mehr wiederfinden. Es gibt keine Hoffnung für uns, zu unserer Vergangenheit und zu denen, die wir lieben, zurückzukehren.
So werden wir bleiben und diesen Ort beschützen. Wir werden über die Menschheit wachen, indem wir Ephemera mit all unserer Macht Grenzen setzen. Und wir werden die Hoffnung nähren, dass die Welt eines Tages wieder geeint werden kann, indem man Ephemera vor den Herzen der Menschen schützt.
 
- Das Verlorene Archiv
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